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AUTHENTIZITÄT

Jede Architektur vereint menschengemachte Bauteile, die in unterschiedlichem Mass aus natürlicher und künstlicher Substanz bestehen.

Ob natürlich oder künstlich – jedes Material ist in unterschiedlichem Mass vom Menschen geformt und nie vollkommen ursprünglich oder perfekt.

Die Natur, immer unberechenbar und vielseitig, strebt nach keinem festen Zustand. Ihre ständige Veränderung wirkt der Perfektion entgegen. Doch in einer urbanen Umgebung, gezähmt von menschlichem Eingreifen, verliert sie einen Teil ihrer wilden Unmittelbarkeit.

Das Menschengemachte trägt hingegen die Spuren einer sorgfältigen, oftmals aufwendigen Herstellung. Es strebt nach Standardisierung, nach einer gewissen Perfektion, die doch nie vollkommen erreicht wird. Die Grösse des künstlichen Entwurfs und der Maschinerie wird durch das Unvollkommene stets gebremst.

Beide – das Natürliche und das Künstliche – sind auf ihre eigene Weise unvollkommen, niemals vollständig intakt. Und in dieser Unvollkommenheit offenbart sich die wahre Herkunft und der Ursprung des Daseins. Die im Material enthaltene Energie und die Spuren ihrer Entstehung stehen im Einklang mit unserer Wahrnehmung und unserem Alltag.

Selbst die natürlichen Materialien, wie Holz oder Stein, gehen im Bauprozess durch eine gewisse Veränderung – wenn auch in einem geringeren Masse als die künstlicher Materialien wie Keramik und Stahl. Dennoch behalten rohe Oberflächen von Lehmputz oder natürlichen Fasern ihren unverkennbaren Abdruck der Herkunft, der den Charakter der Natur in sich trägt.

Authentizität entsteht im Prozess der Offenlegung dieser Veränderung. Sie offenbart sich nicht nur visuell, sondern auch über die Sinne. Der Sehsinn, der das Oberflächenbild des Materials erfasst, wird dabei um die Dimension der Haptik, des Geruchs und des Gehörs ergänzt.

Durch die Haptik erfahren wir die Textur, Rauigkeit und Konsistenz der Materialien. Jeder Berührungseindruck ruft eine Vorstellung von Form, Struktur und Beschaffenheit hervor, die unser Gefühl von Raum und Atmosphäre prägt.

Der Geruchssinn, der direkt mit dem Hippocampus – dem Zentrum der Emotionen – verbunden ist, hat eine einzigartige Kraft, Emotionen zu wecken. Das bewusste Erleben von Düften kann das Gedächtnis anregen und das geistige Wohlbefinden fördern. Materialien wie Holz, Stein und Naturfasern stimulieren nicht nur den Tastsinn, sondern auch die Emotionen, indem sie uns eine tiefere Verbindung zu unserer Umgebung ermöglichen.

Die akustische Wahrnehmung beeinflusst die Authentizität eines Raumes, da Klänge untrennbar mit der Materialität verbunden sind. Schalldämmende Materialien, bewusst eingesetzt, formen nicht nur die Klanglandschaft, sondern betonen auch die räumliche Tiefe und den Charakter. Ob in konzentrierten Arbeitsbereichen oder in Ruhezonen – die richtige Dosierung dieser Materialien trägt wesentlich dazu bei, wie ein Raum erlebt und als authentisch empfunden wird.

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